Filmgeschichte im Spiegel moderner Plakatkunst

Einstieg in die Ausstellung: Filmplakate im traditionellen Stil. Foto: gaf

Plakate sind ein bedeutendes Mittel der Filmwerbung. Es soll neugierig machen, es soll Wirkungen provozieren, die über die Aussage der bloßen Illustration und Textierung hinausgehen. Göttingen ist ein zentraler Ort deutscher und europäischer Filmgeschichte, die im Kunsthaus Göttingen mittels Filmplakaten präsentiert wird. Der gelernte Schriftsetzer Klaus Wettig, der als Kulturpolitiker vielfache Berührungspunkte zum Thema hat, führte interessierte Mitglieder des SPD-Ortsvereins durch die Ausstellung, die noch bis 16. April 2023 im Kunsthaus Göttingen zu sehen ist. Der Eintritt ist frei.

Prägnante Bildsprache für ein filmisches Meisterwerk.

Einer der international bekanntesten Plakatkünstler war Hans Hillmann (1925-2014). 1954 begann seine Zusammenarbeit mit Walter Kirchner, einem Filmenthusiasten aus Göttingen, der mit seiner „Neuen Filmkunst“ Meisterwerke der internationalen Filmgeschichte und junges Arthouse-Kino nach Deutschland holte. Ein anderer Grafiker, der ebenfalls in Kassel studiert hatte, war Karl-Heinz Fehrecke. Er betrieb in Göttingen ein grafisches Atelier. Bis Mitte der 1970er-Jahre entstanden mehr als 150 Filmplakate für Filme von Akira Kurosawa, Jean-Luc Godard, Pier Paolo Pasolini, Luis Buñuel oder Ingmar Bergman. Neben den Plakaten wurden weitere Werbemittel realisiert, darunter aufwendig gestaltete Programmhefte, die aber nicht Gegenstand der gegenwärtigen Ausstellung im Kunsthaus Göttingen sind.

Wettig erläuterte die ungewöhnliche Bildsprache, die neue visuelle Maßstäbe setzte und teilweise an die Schlichtheit der Bauhaus-Schule anknüpfte, etwa durch Verwendung der Schrifttype Futura. Der Filmenthusiast Walter Kirchner bot den Plakatkünstlern beste Entwicklungsmöglichkeiten, die sich schnell vom Nachkriegsstil der Immenhof-Serie lösten. Das Miteinander der Grafiker und des Verleihers wollte anspruchsvolle Kinogänger erreichen. Kirchner erkannte, daß ihm die konventionellen Werbemethoden der Filmindustrie dabei nicht helfen konnten. Das künstlerisch gestaltete Filmplakat spiegelt legendäre Filme, die der Göttinger Kirchner aus dem Ausland nach Deutschland holte, zuerst mit der „Neuen Filmkunst“ später mit „Die Lupe“.

Im Verleih der Göttinger Neuen Filmkunst Walter Kirchner.

Eine breiter angelegte Entwicklung begann 1960, als der Atlas-Filmverleih aus Duisburg in den Mechanismus der Filmwerbung eingriff. Hans Hillmann kreierte legendäre Plakate für das Unternehmen, dass bereits 1966 wieder aufgeben musste, aber schon längst in die Filmgeschichte infiltriert war. In einem frühen Interview hatte Hans Hillmann gesagt: „Deutschland war damals eine ziemliche Kinowüste, Anfang der 50er Jahre, als die „Neue Filmkunst“ gegründet wurde. Als Professor Hans Leistikow – unter dem ich damals studierte – von Kirchner 1952 aufgefordert wurde, Plakate zu machen, hat er daraus einen Klassenwettbewerb der Studenten gemacht. Und so habe ich die ersten dieser Filme gesehen und angefangen, Filmplakate zu machen. Das ist ja ein zweifacher Verdienst gewesen: Einmal haben Herr und Frau Kirchner und Herr Schwier diese wichtigen Filme herausgebracht, die man sonst nicht sehen konnte – von Frankfurt oder Berlin aus war das nächste Filmmuseum die Cinématique in Paris. Zum anderen aber waren sie der Meinung, dass man Filmkunst auch künstlerisch vermitteln müsse. Ich habe festgestellt, dass die Plakate fast alle den Titel visualisieren, auch wenn der natürlich nicht unbedingt identisch ist mit dem Thema eines Filmes. Das Plakat zu „Abend der Gaukler” ist im Grunde genommen eine Fortsetzung des Titels, der aus Worten besteht, im Bild – also die Fortsetzung dessen, was das Wort aussagt. Ähnlich verhält es sich bei „Sturm über Asien“ oder „Hafen im Nebel“.

Neue Filmkunst mit Marlene Dietrich.

Die Neue Filmkunst begann 1953 in Göttingen. Am gleichen Tag startete Die schmutzigen Hände (1951) – der erste Film, den die Firma in den Verleih genommen hatte – im Frankfurter Luxor-Kino. Der Gründer Walter Kirchner hatte seit 1947 den studentischen Filmclub der Universität Göttingen geleitet. Kirchner ermöglichte u.a. die deutschen Erstaufführungen von solchen Filmen wie La belle et la bête (1946), La dolce vita (1959), Los Olvidados (1950) oder Roma città aperta (1943-45) sowie die Wiederaufführungen von M – eine Stadt sucht einen Mörder (1931) oder Panzerkreuzer Potemkin (1925).

In internationalen Filmlexika heißt es heute: „Berühmt wurde der Verleih durch die Filmplakate, die an das Design der Plakatkunst der 1920er Jahre anschlossen.“ 1976 gründete Kirchner die Lupe GmbH, um die zahlreichen Filmrechte, die ihm verblieben waren, weiter auszuwerten. Lupe vertreibt heute annähernd 200 Filme – neben klassischen Autoren wie Antonioni, Bergman, Fellini und Pasolini finden sich zahlreiche klassische Repertoire-Einzelwerke. Außerdem betrieb Kirchners Lupe noch lange Zeit drei Einzelkinos in Göttingen (Cinema an der Jacobikirche), Köln und München. gaf

Infos zur Ausstellung im Kunsthaus Göttingen hier.