Konsequenzen für die Schulen aus der Corona-Krise

Bild von April Bryant auf Pixabay

Folgen der Corona-Krise

Der „shutdown“ des öffentlichen Lebens und die massiven Einschränkungen des Alltages in der Corona-Krise Zeit haben

  • zur Notwendigkeit der Entwicklung völlig neuer Formen der Organisation des privaten und öffentlichen Lebens geführt
  • und zugleich auch deutlich gemacht, dass das Virus zwar alle Menschen gleichermaßen befallen kann, die Folgen jedoch je nach sozialem Status sehr unterschiedlich sind. Die Belastungen sind dabei ungleich verteilt und bestehende soziale Ungleichheiten werden durch die verordneten Einschränkungen weiter verschärft.

Das gilt für alle Bereiche, auch für die Schulen.

Das durch die Schließung der Schulen notwendig gewordene „Lernen zu Hause“ trifft in den Familien und bei den Schüler*innen je nach sozialem Status, je nach Bildungsnähe und auch je nach Geschlecht auf völlig unterschiedliche Bedingungen für das häusliche Lernen:

  • Jugendliche ohne eigenes Zimmer und/oder konfliktfreie Räume (Störungen durch Geschwister, keine Möglichkeit des ungestörten Lernens oder gar Konflikte in der Familie) haben schlechtere Lernbedingungen als andere.
  • Schüler*innen, die durch ihre Eltern beim Lernen nicht unterstützt und beraten werden, haben es schwerer, den Stoff zu bearbeiten und werden rasch „abgehängt“.
  • Unterschiedliche Ausprägungen der Fähigkeit zum selbständigen Lernen führen dazu, dass in diesen Fähigkeiten weniger kompetente Schüler*innen die häusliche Arbeit nicht so effektiv bearbeiten können als andere.
  • Zugleich ist aufgrund der finanziellen Unterschiede in den Familien oft – und oft parallel – die Möglichkeit der digitalen Teilnahme an den schulischen Angeboten aufgrund fehlender geeigneter Endgeräte schwieriger oder gar nicht gegeben.
  • Hinzu kommt häufig noch, dass Lehrkräfte bei der didaktisch-methodischen Aufarbeitung des Stoffes häufig nicht geübt sind und/oder die beim „Lernen zu Hause“ entstehenden Probleme nur schwer erkennen und bearbeiten können.

Wenn wir der Verschärfung der in Deutschland ohnehin schon hohen sozialen Ungleichheit der Bildungschancen und der Geschlechterungleichheit entgegenwirken sowie unsere Schulen zugleich auf die geänderten gesellschaftlichen Bedingungen einstellen wollen, dann müssen wir unseren Schulen und unsere Lehrkräfte fit machen für diese Herausforderungen.

Es ist aufgrund des Standes der Bekämpfung des Virus und der Eindämmungsmaßnahmen absehbar, dass uns die neuen Formen des Unterrichtens und Lernens nicht nur aktuell, sondern auch mittelfristig und langfristig begleiten werden. Absehbar ist aufgrund der Umweltentwicklung auch, dass der Ausbruch des Corona-Virus nicht die letzte Pandemie dieser Art gewesen sein wird. Wir werden uns auf weitere einstellen müssen.

Die SPD Göttingen legt deshalb hier ein erstes Papier vor, in dem Vorschläge für solche Veränderungen entwickelt worden sind. Auch für uns ist dies „Neuland“. Zwar gibt es bei der Beschreibung der sozialen Folge eine sehr hohe Treffsicherheit, die Vorschläge zur Abhilfe erheben jedoch keinen Anspruch auf Perfektion oder auf Vollständigkeit. Sie sollen vor allem ein Anstoß für die Diskussion sein.

Konsequenzen

1. Proaktive Schule

Schon jetzt aktuell in der Krise beginnend muss jede Schule ihre Erfahrung aus der gegenwärtigen Situation niederlegen und damit beginnen, einen „Notfallplan“ für mögliche weitere solcher Pandemiesituationen zu erarbeiten.

Mittel- und Langfristig soll die aufgrund der allgemeinen gesellschaftlichen Modernisierung ohnehin anstehende Entwicklung des digitalen Lernens erfolgen. Gruppenstrukturen in der Schule, Unterrichtsmethodik und Lernmaterialien sollen mithilfe von Lernplattformen und Videounterricht so umgestellt werden, dass auch in Krisensituationen alle Schüler*innen gleichermaßen am Lernen teilnehmen können. Insofern bietet die Krise auch zugleich die Chance zur digitalen Modernisierung der Bildungseinrichtungen.

2. Lernen außerhalb der Schule

Aktuell muss allen Schüler*innen der Zugang zu digitalen Arbeitsplätzen und zur digitalen Arbeit ermöglicht werden. Das bedeutet,

  • dass auch für sozial schwache Schüler*innen geeignete digitale Endgeräte rasch zur Verfügung gestellt werden müssen. Dafür müssen die Schulen – falls nicht vorhanden – eine ausreichende Zahl solcher Geräte mit Mitteln der Kommune und des Landes anschaffen. Genutzt werden kann hierfür ein Vorgriff auf Mittel des Digitalpaktes;
  • und dass zusätzlich die Computerräume und Bibliotheken mit digitalen Arbeitsplätzen in den Schulen für Einzelarbeit der Schüler*innen geöffnet werden müssen (vgl. Punkt 7. Räumlichkeiten).

Ebenfalls jetzt beginnend – und noch weiter zu intensivieren – muss die Anpassung der vorhandenen Lernmaterialien an die Lernfähigkeiten lernschwächerer Schüler*innen erfolgen.

Mittel- und langfristig ist für alle Schüler*innen – aber gerade für die Lernschwächeren und im digitalen Lernen weniger Geübten – im Unterricht das selbstorganisierte Arbeiten mit den digitalen Medien zu Hause einzuüben.

Für die Lernschwächeren sind spezielle Förderstunden per Video einzuführen.

3. Lernen innerhalb der Schule

Aktuell ist zu erwägen (unter Einbeziehung des Samstages und gegebenenfalls der Ferien) intensive freiwillige Stützkurse in Kleingruppen aus einer Klasse mit sich ehrenamtlich dafür zur Verfügung stellenden Lehrkräften zu etablieren und damit gerade für Lernschwächere mehr „begleitetes“ Lernen zu ermöglichen. Zugleich sollen lernschwache Schüler*innen bei den betreuten Präsenzzeiten privilegiert werden.

Da wo nötig werden die Schulen so rasch wie möglich mit einer Lernplattform (mindestens als Messengerdienst) ausgestattet.

Mittel- und langfristig – abermöglichst rasch – soll über den Digitalpakt die technische Ausstattung für digitales Lehren und Lernen installiert werden. Dazu gehört dann auch Ausbau von Lernplattformen für das Lehren per Video und die Entwicklung von Konzepten für digitales Lehren und Lernen durch die Kollegien.

Dabei sind in der Schule eine Anzahl von Schüler*inneneinzelarbeitsplätze (vgl. 2. Lernen außerhalb der Schule und 7. Räumlichkeiten) zu schaffen.

Bei den Unterrichtsmaterialien muss generell mehr auf digitale Medien umgestellt werden, damit den Schüler*innen deren Handhabung durch den täglichen Umgang selbstverständlich wird. Dabei sollen die Lehrkräfte multimediale Inhalte in den Präsenzunterricht einbinden und die Schüler*innen über deren mobile Endgeräte einbeziehen.

Zugleich sollen im regulären Unterricht schon feste ständige Kleingruppen (Tischgruppen) gebildet werden, damit im Notfall die Klasse leichter geteilt werden kann, ohne die sozialen Strukturen aufzulösen.

4. Lehrkräfte

Aktuell können die Lehrkräfte der Risikogruppen mit den anderen Lehrkräften ein Team bilden und in diesem Rahmen dann von zu Hause aus digital unterrichten.

Da – wo möglich und nötig – sollen Lehrkräfte schon jetzt im Umgang mit IT-Medien und in der Materialherstellung geschult werden.

Mittel- und langfristig müssen alle Lehrkräfte in der Lehrkräfteaus- und weiterbildung technisch, didaktisch und methodisch im Umgang mit Lernplattformen und dem digitalen Lernen geschult bzw. nachgeschult werden, wobei die Verpflichtung der Lehrkräfte zum Erwerb eines Basislevels der Medienkompetenz besteht, von der Schule hierzu jedoch entsprechende Angebote anzubieten sind.

An den Schulen werden digitale Einzelarbeitsplätze für die Lehrkräfte eingerichtet (vgl. Punkt 7. Räumlichkeiten).

5. Leistungsmessung und Versetzung

Aktuell rücken generell alle Schüler*innen in den nächsten Jahrgang auf. Vorbild sind dabei die Länder HE, MVP, BaWü, Bay, und NRW.

Alle Schüler*innen der Primarstufe und der Sek I – außer in den Abschlussklassen (in der HS die Klasse 9 resp. 10, in der IGS/RS die Klasse 10 und im Gym ist durch die Versetzung von Klasse 10 nach 11 der erweiterte Sek II Abschluss verbunden) – werden nicht benotet. Sie erhalten keine Notenzeugnisse, allerdings erfolgen bei lernschwachen Schüler*innen Beratungsgespräche durch die verantwortliche Lehrkraft. Ziel ist dabei die evtl. freiwillige Wiederholung des Schuljahres, insbesondere wenn schon vor dem Ausbruch der Pandemie eine Versetzung kaum möglich gewesen wäre. So können Misserfolge im darauf folgenden Schuljahr vermieden werden.

Ausnahmen bilden dabei die Schüler*innen der jeweiligen Abschlussklassen (z. B. am Ende der SEK I). Hier finden alle Prüfungen statt, Noten und ein normales Abschlusszeugnis werden erteilt. Ebenso werden Noten in der gymnasialen Oberstufe erteilt. Allerdings sind bei der Notenvergabe und der Beurteilung die besondere Situation und psychischer Belastungen zu berücksichtigen. Ein Ermessensspielraum im Sinne der Schüler*innen ist zu nutzen.

6. Schülertransport

Aktuell gibt es hierzu aufgrund des gestaffelten Unterrichtsbesuches und der damit nicht ausgelasteten Busse keinen Handlungsbedarf.

Mittel- und langfristig könnte es notwendig sein, hier andere Konzepte einzuführen. Falls bei noch nicht beseitigter Ansteckungsgefahr die Schulen wieder auf Volllast fahren, wird es zwingend trotz Maskenpflicht im Bus ausreichenden Platz für die strikte Einhaltung des Sicherheitsabstandes zu schaffen. Dies ist möglich durch

  • einen gestaffelten Unterrichtsbeginn, der gestaffelte Anfahrten durch die Busse

            ermöglicht

  • und/oder den Einsatz von mehr Bussen zu einem Zeitpunkt.

Welches der bessere Weg ist, ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen.

7. Räumlichkeiten (Voraussetzung für Digitalisierung und Hygienemaßnahmen)

Aktuell sind in jedem Unterrichtsraum, im Eingangsbereich, bei Waschgelegenheiten und in den Toiletten Desinfektionsmittel und Papiertücher bereit zu stellen. Falls der Mensabetrieb wieder aufgenommen wird, ist im Schichtbetrieb und ausreichenden Abständen zwischen den Tischen die Hygiene zu gewährleisten.

Mittel- bis langfristig ist die technische Ausstattung für digitales Lernen zu installieren, sind Schüler*inneneinzelarbeitsplätze an geeigneten Stellen (z. B. Bibliothek) einzurichten, sind die Arbeitsplätze für Lehrkräfte zu realisieren und die Raumgrößen sowie die Ausstattung den neuen Notwendigkeiten (Raumgröße für Abstände, Hygienemaßnahmen, aber auch für digitales Lernen) anzupassen (vgl. die Punkte 2., 3. und 4.). Diese Maßnahmen sollen vor allem dann realisiert werden, wenn Neubauten und Renovierungen anstehen. Für Göttingen bedeutet dies perspektivisch die konkrete Berücksichtigung im Rahmen der Maßnahmen des Schulstättenentwicklungskonzeptes.